
Anlässlich der diesjährigen SBW-Kadertage in Landstuhl (D) kündigte Reto Ammann an, die operative Leitung an ein neues Team zu übergeben und sich als Verwaltungsratspräsident künftig auf die strategische Weiterentwicklung zu konzentrieren. Ab 1. August übernimmt mit Jan Schneider, Christoph Anrig, Sarah Rappold und Tobias Bartholdi eine vierköpfige Geschäftsleitung die operative Führung. Ein Gespräch mit Reto Ammann über seinen Entscheid, das neue Führungsmodell und die Zukunft der SBW.
Nach 20 Jahren an der Spitze der SBW hast du entschieden, die operative Leitung abzugeben. Wie kam es zu diesem Schritt – und warum gerade jetzt?
Intuitiv habe ich gespürt, dass die Zeit reif ist. Ganz im Sinne von Viktor Hugo: «Nichts ist so stark wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist». Nach zwei Jahrzehnten operativer Führung ist es sinnvoll, die Verantwortung rechtzeitig zu übergeben und Raum für neue Ideen zu schaffen. Das jetzige Team ist bereit, und ich habe Lust, neue Projekte anzugehen. Die Nachfolge frühzeitig zu regeln, gibt Sicherheit – und erlaubt, vorausschauend zu handeln statt zu reagieren.
Die neue Geschäftsleitung besteht aus internen Kräften. Ein bewusster Entscheid?
Ja. Externe Einflüsse sind wichtig, holen wir aber über strategische Partnerschaften, den Markt und neue Mitarbeitende rein. Für diese Übergabe war es naheliegend, auf erfahrene, bewährte Personen zu setzen, die unsere Kultur bereits verstehen und leben. Wir haben ein starkes Führungsteam – ihnen den nächsten Entwicklungsschritt zu ermöglichen, macht Freude.
Du hast die CEO-Rolle nicht einfach 1:1 ersetzt. Warum?
Ein CEO-Modell auf einer Schulter ist nicht die einzige Lösung. Mir war wichtig, dass sich die neue Leitung als Team versteht, mit verschiedenen Charakteren, Perspektiven und Kompetenzen. Das neue Modell mit vier Personen bringt frischen Wind und zugleich Kontinuität. Drei der vier Geschäftsleitungs-Mitglieder haben junge Familien. Dieses Modell ist familienfreundlich.
«Vier Persönlichkeiten, die SBW verinnerlicht haben»
Was zeichnet die vier neuen Mitglieder Jan Schneider, Christoph Anrig, Sarah Rappold und Tobias Bartholdi aus?
Alle vier stehen mit ganzem Herzen hinter der SBW.
- Jan Schneider (50) ist seit fast sieben Jahren bei der SBW, zuletzt als COO für die Lernhäuser. Er bringt Struktur, Umsetzungsstärke und hohe Zielorientierung mit – und wird sich als Brückenbauer und Wissensträger zwischen alter und neuer GL ins Gremium einbringen.
- Sarah Rappold (41) ist seit 13 Jahren dabei. Von der Lernbegleiterin zur Co-Leiterin des TCB bis zur GL – eine bemerkenswerte SBW-Karriere. Sie ist ein sehr gewinnender Mensch zugleich eine lösungsorientierte Umsetzerin, die selbst mitanpackt und Herausforderungen meistert.
- Tobias Bartholdi (37) kennt die SBW seit über 20 Jahren: als Lernpartner, Lehrling, IT-Verantwortlicher und nun GL-Mitglied. Als erster Alumnus bringt er einen besonderen Blickwinkel mit – sowie hohe Verlässlichkeit und eine ruhige, kompetente Art.
- Christoph Anrig (35) ist seit zweieinhalb Jahren Leiter Unternehmensentwicklung. Er treibt die Umsetzung des SBW-Bildungsverständnisses, das SBW-Modell und die Future Skills mit Energie und Weitblick voran. Ich schätze seinen kritischen Geist, das Durchdringen der Materie und seine Ideen für das Morgen.
Wie ist die neue Führungsstruktur aufgebaut?
Jan Schneider und Christoph Anrig übernehmen als Co-CEOs die Leitung und Koordination. Beide sind Quereinsteiger mit betriebswirtschaftlichem Hintergrund. Sarah Rappold und Tobias Bartholdi bleiben neben ihrer GL-Funktion in reduzierten Pensen in bisherigen Rollen tätig – Sarah als Co-Leiterin des TCB, Tobias als Leiter SBW Services AG.
«Die SBW war und ist mehr als nur Schule. SBW bedeutet mehr.»
Wie bist du 2002 zur SBW gekommen?
Ich unterstützte damals Konstanz und Kreuzlingen beim Aufbau einer International School. Daraus entstand die ISKK. Über 1 Jahr vor dem Schulstart fragte mich Peter Fratton an, ob ich zur SBW kommen wolle – als Leiter Unternehmensentwicklung, eine Funktion, die es damals noch gar nicht gab. Damit wurden die ISKK und die SBW zum gemeinsamen Projekt. Ich erinnere mich noch gut an Anup, den ersten Jugendlichen an der ISKK, und an Steff Preisig, den ersten Lernhausleiter, den ich anstellen durfte.
Was hat dich an der SBW gereizt?
Ich komme aus einem Lehrerhaus, war am Lehrerseminar Kreuzlingen und studierte später an der HSG. Bildung und Unternehmertum zu verbinden, war für mich naheliegend. Ein Unternehmen mitzugestalten und gleichzeitig junge Menschen zu fördern, begeistert mich bis heute.
Was hat dich in deiner SBW-Zeit geprägt?
Die Menschen. Die Zusammenarbeit mit so vielen inspirierenden Persönlichkeiten hat mich enorm bereichert. Natürlich gab es auch schwierige Phasen – sie gehören dazu und fördern innere und äussere Stärken, letztlich Wachstum. Ich habe über die Jahre gelernt, geduldiger zu werden, auch wenn das nicht meine grösste Stärke ist.
Was waren für dich die grössten Herausforderungen?
In den letzten zwanzig Jahren gab es manch eine Herausforderung. Die letzte grosse Prüfung war die Covid-Pandemie. In Landstuhl haben wir während des Lockdowns stark investiert, mussten gleichzeitig bei den International Schools aufgrund der Repatriierung zahlreicher Expats einen anspruchsvollen Kundenschwund verkraften. Alles ohne Entschädigung und ohne Entlassungen. Wir hatten Glück und haben die Zeit genutzt, in das Konzept zu investieren.
Welche Erkenntnisse hast du daraus gezogen?
Wandel zu erkennen, aktiv zu gestalten – und manchmal einfach zu akzeptieren –, ist essenziell. Oft trifft man Entscheidungen zu spät. Das ist menschlich, schmerzt aber doppelt. Eine zweite Erkenntnis meinerseits ist auch, aus Erfahrungen das Wesentliche, nicht weniger, aber auch nicht alles mitzunehmen für das, was vor uns liegt. Denn: Zukunft braucht Geschichte – ebenso wie Geschichte eine Zukunft braucht. Das gilt für uns persönlich, jedes Unternehmen und auch die Politik.
Was siehst du als die wichtigsten Errungenschaften?
Unser in den letzten Jahren erarbeitetes Bildungsverständnis, das Fraktal und das Future-Skills-Konzept sind für mich zentrale Bausteine. Sie geben Orientierung und Zukunftsfähigkeit, Sinn und Legitimation. Es ist das Fundament unseres Handelns.
Ebenso wichtig ist die bewusste Rekrutierung leidenschaftlicher Persönlichkeiten, welche die SBW mittragen und prägen. Letztlich sind wir im Beziehungswesen, nicht im Erziehungswesen tätig.
Ein Meilenstein war auch das gesunde, kontinuierliche Wachstum während der letzten zwanzig Jahre – von einem Betrieb zu einem Unternehmen mit rund 500 Mitarbeitenden, bei gleichzeitiger regionaler Verwurzelung. Aussen sichtbare Erfolge sind etwa der Do-it-yourself-Umbau in Landstuhl, der Talent-Campus Bodensee oder das Pionierprojekt in München mit dem Jules Verne Campus.
«Strategie und Operative in getrennten Händen»
Du bleibst als aktiver Verwaltungsratspräsident bei der SBW. Was bedeutet das für dich?
Die Trennung zwischen strategischer und operativer Führung ist sinnvoll – allein schon aufgrund der Unternehmensgrösse. Ich freue mich, für die SBW aber auch mich, nun mehr Zeit für strategische Projekte, Partnerschaften und neue Ideen zu haben. Gleichzeitig kann ich Aufgaben besser koordinieren – etwa mein Engagement bei der Coubertin meets Dunant Foundation oder in der Politik.
Was wünschst du der SBW für die Zukunft?
Dass sie stabil und zugleich innovativ bleibt. Die SBW soll weiterhin mehr sein als eine Schule – unser Motto «Wage, wovon du träumst» soll gelebte Haltung bleiben. Ich wünsche mir, dass unser Modell an weiteren Orten Wirkung entfaltet. Viele Kinder und Jugendliche würden davon profitieren.
Wie gelingt das?
Indem wir unser Bildungsverständnis kontinuierlich weiterentwickeln und teilen. Es braucht dafür Ressourcen, starke Partner und ein waches Ohr für gesellschaftliche Entwicklungen, gerade im stark monopolistischen Heimmarkt.
«Ich freue mich aufs Jubiläumsfest 2030»
Wenn du 2030 zum SBW-Jubiläum kommst – was möchtest du sehen?
Ein Wiedersehen mit vielen Ehemaligen. Kürzlich habe ich während der Fussball-EM der Frauen Marisa Wunderlin und Lukas Studer gemeinsam moderieren gesehen – beide mit SBW-Vergangenheit, aber sie wussten es nicht voneinander. So etwas zeigt: Wir könnten ein ganzes Jubiläum mit SBW-Alumnis gestalten – und ich helfe da gerne mit.
Inhaltlich wünsche ich mir, dass die SBW 2030 weiterhin ein Ort ist, an dem Kinder und Jugendliche sich entfalten, Träume verwirklichen und zu selbstermächtigten Persönlichkeiten werden. Wir sind Dienstleister, Förderer und Forderer für junge Menschen – und begleiten sie auf dem Weg zu den Bühnen ihres Lebens. Wenn wir das weiterhin schaffen, dürfen wir gemeinsam stolz sein. «SBW – this means more» soll noch lange leben.