Sebastian
Riedi

Game-Designer

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Vom Mediamatiker zum Game-Designer

ZÜRICH – Nach seiner Ausbildung zum Mediamatiker EFZ an der SBW Neue Medien (2009-2013) arbeitete Sebastian Riedi mehrere Jahre in verschiedenen Agenturen als Webentwickler und Videoeditor, bevor er an der ZHdK Gamedesign studierte (2017-2020). Vor einem Jahr machte sich der ehemalige SBWler mit seinem Studio «Zeitglas» selbständig. Ein Besuch im Swiss Game Hub Zürich.

MARK RIKLIN

Swiss Game Hub Zürich, Hohlstrasse 176, in direkter Nachbarschaft des imposanten Neubaus des Polizei- und Justizzentrums Zürich. Im 2. Stock einer Abbruch­liegenschaft treffe ich auf Sebastian Riedi (30), einen gross­gewachsenen Mann mit Brille, Bart und einem schwarzen Kapuzenpulli, Aufschrift «Zeitglas». Hier hat sich sein Start-up-Unternehmen eingenistet, das er vor einem Jahr gegründet hat.

Freeze am Bahnhof St.Gallen

Das letzte Mal gesehen haben wir uns am 19. Februar 2010 vor bald 13 Jahren am Bahnhof St.Gallen. Anlässlich des Internationalen Tags der Langsamkeit erprobten Mediama­tiker:innen der SBW Neue Medien in Zusammen­arbeit mit Medien­pädagoginnen und Medien­pädagogen der damaligen FHS St.Gallen im Rahmen des Projekts «Overkill» das Wesen eines Smartmobs. Punkt 12:55 Uhr blieben alle Teilnehmenden wie angefroren stehen, um auf das Tempo und die Rolle der Neuen Medien als Treiber der beschleunigten Gesellschaft aufmerksam zu machen. Mittendrin stand Sebastian Riedi, die schwarze Kapuze über den Kopf gezogen, das Handy am Ohr, bewegungslos.

Mediamatischer Generalist

Im 1. Lehrjahr sei er damals gewesen, sagt Sebastian Riedi, extra von Kloten nach Romanshorn umgezogen, um sich an der SBW Neue Medien zum mediamatischen Generalisten ausbilden zu lassen. Seine BLJ-Zeit habe er bei sport-fan.ch verbracht, wo er die regionale Sport­plattform auf WordPress umbaute und Video-Stories produzierte. 13 Jahre später ist Sebastian Riedi 30 Jahre alt, hat an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) ein Studium in Gamedesign abgeschlossen, verschiedene Erfahrungen in den Bereichen Druck, Grafikdesign, Video­bearbeitung, Webdesign und -entwicklung gemacht, die ihm nun als digitaler Produkt­designer und Spiel­entwickler zugutekommen.

Digitales Kartenspiel

Gamescom 2022, die weltweit grösste Messe für Computer- und Videospiele in Köln. Sebastian Riedi (Designer, Entwickler) und Fabian Hunziker (Grafik, Animationen und Sounddesign) sind eingeladen, im Booth der Schweiz den Entwicklungs­stand ihres Spiels «Sanatorium – A Mental Asylum Simulator» zu präsentieren. Bei der Eigenkreation handelt es sich um ein digitales Kartenspiel, das den Alltag in einer psychiatrischen Anstalt im Nordamerika der 1920er-Jahre nachspielen lässt. Historisch interessierte Gamer sollen als Hochstapler anheuern können, um dort in der Rolle eines Arztes Patientinnen und Patienten mit archaischen Methoden zu testen, diagnostizieren und behandeln.

Simulationsspiel

Wie man auf so eine Idee kommt? Inspiriert hat ihn zum einen das Indie-Game «Papers, Please» (2013), ein Simulationsspiel, bei dem Spieler an einem Grenzübergang den Beruf eines Kontrolleurs zugelost bekommen; zum andern die reale Geschichte um den deutschen Postboten und Hochstapler Gert Uwe Postel, der zwischen 1980 und 1997 mit gefälschten Urkunden als Arzt und Psychiater leitende Positionen bekleidete. In der Recherche stützte sich Sebastian Riedi u.a. auf ein Treffen mit dem Kurator des Psychiatrie-Museums Bern und auf Berichte von Nellie Bly (1864 – 1922), die sich für zehn Tage hat einweisen lassen, um eine Reportage über die Vorgänge in einem Asyl für nervenkranke Frauen auf der New Yorker Blackwell’s Island verfassen zu können. Sebastian Riedi betont, dass das Simulations­spiel aber keine historische Dokumentation sei, sondern ein Spiel mit realen und fiktiven Elementen.

Handwerk eines Mediamatikers

«Das Spiel soll zwischen das Normale und das Kriminalisierte stechen und die Frage aufwerfen, was akzeptabel ist und was nicht», sagt Sebastian Riedi, den die Grauzonen dazwischen faszinieren. Schon während seiner Ausbildung zum Mediamatiker hatte er sich für historische und philosophische Themen interessiert, die weit über den Tellerrand mediamatischer Disziplinen hinausgingen. Er interessierte sich beispielsweise für den Philosophen Karl Popper, besuchte bei Pascal Aubry das Wahlpflichtfach «Kulturethik» und machte sich Gedanken über Gott und die Welt. Gleichzeitig erlernte er das Handwerk eines Mediamatikers, das sich als gute Grundlage für Gamedesign erweisen sollte, der Beruf des Game­designers komme demjenigen des Mediamatikers sehr nahe.

Game Developers Conference in San Francisco

Die Entwicklung von „Sanatorium“ startete Anfang 2020 als Bachelor-Projekt an der Zürcher Hoch­schule der Künste (ZHdK). Nach erfolgreichem Abschluss mit dem Sanato­rium-Proto­typen entschied sich Sebastian Riedi, das Projekt fortzusetzen. Zurzeit steckt das Game im Stadium des «Vertical Slice»: Der Look ist finalisiert, das Regelwerk formuliert und die Pre-Production abgeschlossen. Nun möchten die Entwickler in die Produktion gehen. Dafür braucht es finanzielle Unterstützung, gesucht ist deshalb ein Publisher für die Fertigstellung, Vertrieb und Verkauf. «Man muss die grösste profitable Nische finden, die das Potential hat, weiterzuwachsen», beschreibt Sebastian Riedi die Herausforderung. Ende März sind die beiden Inde­pendent-Game­entwickler eine Woche lang in San Francisco, um an der Game Developers Conference (GDC) teilzunehmen. Die nächste Gelegenheit, einen Publisher für das 280'000 Franken teure Projekt zu finden.

Die beste Möglichkeit, Sebastian Riedi zu unterstützen: das Spiel auf die eigene Steam-Wishlist setzen.

Bild: Gian Vaitl / SRF

 

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