Tim
Scheuer

Metaverse-Strategist

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Auf und davon nach Dubai und ins Metaverse

MÜNSTERLINGEN – Tim Scheuer (19) weiss, was er will: Unternehmer werden, am liebsten im Metaverse. Um den Prozess seiner Entwicklung zu beschleunigen, trifft er eine mutige Entscheidung: Er verlässt die Mittelschule vorzeitig, nimmt seinen Werdegang selbst in die Hand und heuert in Dubai bei einem Unternehmen an. Im Gespräch mit dem ehemaligen NET-Schüler des Talent-Campus Bodensee (2016-2019).

Mark Riklin

Januar 2022. Seit 2.5 Jahren besucht Tim Scheuer, ehemaliger Elite-Sportschüler des SBW Talent-Campus Bodensee, an der Pädagogischen Maturitäts­schule (PMS) in Kreuzlingen die Kunst- und Sportklasse. Noch 1.5 Jahre liegen vor ihm, über die Hälfte ist geschafft. Als der Sprachaufenthalt aufgrund der Corona-Pandemie ins Wasser fällt, entsteht anfangs Jahr eine unverhoffte Verlängerung der Weihnachtsferien. 6 Wochen Zeit, den eigenen Leidenschaften Raum zu geben und der eigenen Persönlichkeit auf den Grund zu gehen. Tim löscht alle sozialen Medien, beschäftigt sich mit Meditation, vertieft sich in neue Technologien, u.a. ins Metaverse, eine virtuelle Welt, die mittels VR-Brillen und anderer elektronische Geräte zugänglich wird.

Blindbewerbung

Nach einem Monat stellt er verblüfft fest, wie «unglaublich gut» er sich mental und körperlich fühlt und wie weit er in diesen Wochen gekommen ist. «Wenn ich all das in Vollzeit machen könnte, wäre ich in einem Jahr in meiner Entwicklung Meilenschritte weiter», sagt er sich. Worauf warten, wenn man so genau weiss, was man will? Weshalb dem Wartesaal «Schule» nicht per sofort entfliehen und den eigenen Werdegang selbst in die Hand nehmen? Den Eltern verkauft er den möglichen Ausstieg aus der PMS als Zwischenjahr, während er bei der SBW anklopft, um sich im Bereich Unternehmens­entwicklung für eine Stelle als Praktikant zu bewerben. «Ich glaube fest daran, dass die SBW die erste Schweizer Schule werden könnte, die das Metaverse in der Infrastruktur der Schule integriert», schreibt Tim Scheuer in einem feurigen Bewerbungs­schreiben. Dass sich die Welt in diese Richtung bewege, sei unumgänglich. Wieso also nicht davon profitieren und mitbestimmen, in welche Richtung die Entwicklung gehe? Er wolle nicht frech erscheinen, aber als junger Erwachsener mit einer grossen Vision habe er ein Gespür, wohin sich die Welt bewege.

Paradoxe Situation

Tims Bewerbung überzeugt auf Anhieb. Christoph Bornhauser (Bo) ist sofort klar, dass sein ehemaliger Lernpartner weder Schule noch Abschluss braucht. Wer so viel Leidenschaft und eine so klare Vision mitbringt, den muss man laufen und fliegen lassen. Und so verlässt Tim Scheuer die PMS, obwohl ihm die Schule leichtgefallen ist und er ein guter Schüler war. Bereits im April 2022 beginnt Tim in einem 60%-Pensum als Praktikant. Noch heute schmunzle er täglich über die paradoxe Situation, dass er als Schulabbrecher ausgerechnet von einer «Schule» angestellt worden sei. In den ersten Monaten engagiert er sich für die unerwarteten Gäste aus der Ukraine, parallel dazu arbeitet der mehrfache Junioren-Schweizermeister und EM-Dritter als Karate-Assistenztrainer und natürlich an seiner Vision. Ein suchender Prozess, der nicht geradlinig verläuft und bei dem der Zufall eine bedeutende Rolle spielt. So stossen Tim und Bo an einem Event auf einen Walliser Unternehmer, der ihnen das Potenzial der künstlichen Intelligenz aufzeigt. Diese Begegnung ist der Auslöser dafür, dass sich die beiden schon früh mit der generativen künstlichen Intelligenz auseinander­setzen.

Intergeneratives Tandem

Jeden Montagmorgen trifft er sich mit Bo, seinem Mentor, und berichtet über die neusten Entwicklungen. Tim (19) und Bo (68) bilden ein intergene­ratives Entwicklungs­team, schon nach kurzer Zeit löst sich der Altersunterschied von fast einem halben Jahrhundert auf. Je nach Situation wechseln die Rollen, plötzlich ist Bo der Praktikant und Tim der Experte, und dann wieder umgekehrt. Beide bringen ihre Stärken ein: Bo sein Erfahrungswissen und seinen Blick für das grosse Ganze, Tim seine Unbekümmertheit und seine Spürnase für neue Entwicklungen. «Visionen, die in der Zukunft liegen, können nur intergenerativ entwickelt werden,» sagt Bo. Die beiden Entwickler begegnen sich auf Augenhöhe, sind sich gegenseitig Türöffner und wagen, wovon sie träumen.

Las Vegas, Amsterdam, Berlin

Seit Mitte Oktober leitet Tim am Talent-Campus-Bodensee mit dem Talentum «Digital Future» ein Labor, in dem Jugendliche neue Technologien (KI, Blockchain, Metaverse) testen, erste Erfahrungen mit VR-Brillen und diversen Metaverse-Plattformen machen und mit dem KI-Tool ChatGPT experimentieren, noch bevor die Software in aller Munde ist. Zwischendurch ist er unterwegs, reist nach Las Vegas an die Metaverse-Expo, nach Amsterdam an eine Blockchain-Expo, nach Berlin an einen Metaverse-Event und ans WEF in Davos. Diese Ausflüge an den Puls der neusten Entwicklungen erweisen sich jedesmal als Booster für sein Lernen und seinen Entwicklungs­prozess, der direkte Kontakt mit Menschen, die in den gleichen Themen und Industrien tätig sind, wirke unheimlich motivierend.

Metaverse-Strategist

Auf der Suche nach einem Unternehmen, das seine Interessen an Meditation und Metaverse vereint, stösst er in Dubai auf die Firma «Iamverse», die ihren Ursprung in der Selbst- und Potential­entwicklung hat. Um sich zu bewerben, baut er eine virtuelle Welt, schreibt ein Konzept und überlegt sich, was er zur Metaverse-Strategie des Unternehmens beitragen könnte. Seine Anfrage findet Anklang. Zwei Bewerbungs­gespräche später bekommt er einen Freelance-Contract als Junior Meta­verse-Strategist und Community-Manager. Inzwischen ist der Flug gebucht, in 10 Tagen geht das Abenteuer los. Klingt nach einem Kapitel aus der SRF-Serie «Auf und davon», einfach nicht nach Oslo oder Rio, sondern nach Dubai und ins Metaverse. Fortsetzung folgt.

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