Men
Spadin

Projektleiter, Öffentlichkeits[-]beauftragter, Improvi[-]sations[-]künstler

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Ein Leben ohne Drehbuch

Men Spadin (38) ist der geborene Autodidakt. Vieles hat er sich selbst beigebracht: Gitarre spielen, Klettern, Impro Jam. Eine klassische Ausbildung hat er «nur» zwei Jahre gemacht. Heute ist Men Spadin Projektleiter, Öffentlichkeitsbeauftragter, Improvisationskünstler und vieles mehr. Eine Ermutigung für alle, die eigene Wege gehen. Im Werdegangs-Gespräch mit dem ehemaligen SBWler (WBJ Herisau 2001-2002).

ST.GALLEN – Benevolpark, Montagnachmittag, um 14 Uhr. Hier habe ich mich mit Men Spadin verabredet, um mehr über seinen Werdegang zu erfahren. Seit viereinhalb Jahren ist er im Benevolpark für Veranstaltungen und alles Organisatorische zuständig. Wir nehmen Platz in der Begegnungszone, dem Pic-o-Pello-Platz. Rundherum sind Sitzungs- und Seminarräume angeordnet, je nach Gruppengrösse trifft man sich auf dem «Vadianplatz», auf «Drü Weierä», im «Stadtpark», «Grabä-Pärkli» oder «St.Leonhard-Pärkli».

Vorwarnung

Heute Nachmittag ist viel los im schweizweit ersten Kompetenzzentrum für Stiftungen, Non-Profit-Organisationen und Vereine. Die Uni St.Gallen hält eine Vorlesung, ein Start-up-Unternehmen brütet über ihrer Geschäftsidee, Mentorings und Coachings finden hier statt. Die einen machen grad Pause, führen angeregte Diskussionen, ich und Men ein Gespräch über seinen Lebenslauf. «Wenn du meinen CV liest, wirst du feststellen, dass ich «nur» zwei Jahre Ausbildung gemacht habe», hatte mich Men bereits im Vorfeld gewarnt. Er lerne am besten, während er Dinge tue. Mit den Strukturen des Bildungssystems habe er sich eher schwergetan, oder das System mit ihm…

Kein klassischer Schultyp

Das möchte ich genauer wissen. Der klassische Schulunterricht war nicht sein Ding. Dass alle Kinder am gleichen Ort zur selben Zeit das gleiche Thema bearbeiteten, ging ihm gegen den Strich. Und so hatte er sich intuitiv entschieden, dort zu investieren, wo sein Interesse war und den Rest liegenzulassen. Was dazu führte, dass seine Leistungen durchzogen waren, von brilliant bis ungenügend. Am Ende der Oberstufe angekommen hatte er keinen Plan und auch keinen Stress, was mal aus ihm werden sollte. Gestresst habe ihn einzig, dass alle um ihn herum gestresst und die Lehrer schon halb depressiv waren, weil sie noch nicht alle Schäfchen untergebracht hatten. Als eine Woche vor den Sommerferien plötzlich die Option «10. Schuljahr an der SBW Herisau» auftauchte…

Plötzlich machte Schule Spass

… und sich alles ins Gegenteil verkehrte. Plötzlich machte Schule Spass: eigene Schwerpunkte setzen, Entscheidungen treffen, im Lernatelier an eigenen Aufgaben arbeiten. Diskussionen, die spontan entflammten, wurden einfach zugelassen, andere Meinungen nicht verurteilt. «Am Ende hatte ich etwas Neues gelernt. Vielleicht nicht das, was auf dem Plan stand, aber ich hatte die wertvolle Erfahrung gemacht, etwas beitragen und von anderen Perspektiven profitieren zu können.» Das Weiterbildungsjahr an der SBW weckte in Men das Interesse für soziale Fragen und soziale Berufsfelder. Und so landete er im Anschluss an der Monterana Schule, wo er ein Praktikum machte – der Anfang seiner Lehr- und Wanderjahre.

Fachangestellter Betreuung

Im CV finden sich die nächsten Stationen: Hauswirtschaftsjahr in einer sozialpädagogischen Wohngemeinschaft, Kinderbetreuung/Haushaltshilfe bei einer Familie, Pädagogische Assistenz in einer heilpädagogischen Schule. Nach 7 Jahren Praxiserfahrung folgt eine Reise nach Kanada, wo er seine zukünftige Frau aus Berlin kennenlernt, weshalb er anschliessend im Café K am Kolbe-Musseum in Berlin-Charlottenburg landet und während zwei Jahren seine Fähigkeiten als Kellner erprobt. Zurück in der Schweiz entscheidet er sich für die verkürzte Lehre als Fachangestellter Betreuung, die erwähnten zwei Jahre Ausbildung. Berufserfahrungen als Betreuer minderjähriger, unbegleiteter Asylsuchender, Primarlehrer und Sexualpädagoge folgen. Eine Vielseitigkeit, die seinesgleichen sucht.

Offenheit und Neugier

Men’s Odyssee durch soziale und sozialpädagogische Institutionen ist Ausdruck seiner Offenheit und Neugier. Schon als Kind sei er oft umgezogen, musste er sich immer wieder an neue Situationen anpassen. Eine Kompetenz, die ihm auf seinem beruflichen Weg immer wieder zugutekam. «Ich kann schnell Beziehungen aufbauen und auch wieder loslassen», sagt Men über sich. Men liebt es, neue Herausforderungen anzupacken, Pläne zu schmieden und auch wieder über Bord zu werfen. Genau so einer war gesucht, als es darum ging, die Idee des Benevolparks im ehemaligen Postgebäude an der Leonhardstrasse umzusetzen. Men war wie so oft in seinem Leben zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort und wurde zum Projektleiter gewählt.

Telefonkette gegen Einsamkeit

Nach einem Jahr Planung konnte die Drehscheibe für gemeinnützige Organisationen anfangs Juli 2020 trotz Pandemie fristgerecht eröffnet werden. Als Öffentlichkeitsbeauftragter führte Men Medienschaffende durch die neuen Räume, die von öffentlichen Zonen bis zu Rückzugsräumen reichen. Men liebt es, eine Organisation in der Pionierphase zu begleiten, immer wieder neue Wege und Ideen zu finden, um Menschen zusammenzuführen. Wie zum Beispiel im Projekt «benephone», dem guten Draht für ältere und alleinlebende Menschen, die sich reihum anrufen und über Gott und die Welt unterhalten. Eine Telefonkette gegen Einsamkeit, bei der bereits über 30 Teilnehmende mitmachen. Ein Gewinn für alle Beteiligten.

Theater ohne Drehbuch

50 Prozent seiner Erwerbszeit widmet Men der Förderung der Freiwilligenarbeit, die andere Hälfte seiner Familie. Und noch vielem mehr. Sein Rollenspektrum reicht vom Solokünstler für Gitarren-Loops über Podcast-Host, Moderator, Netzwerker und Kursleiter bis zum Improvisationskünstler. Seit bald 10 Jahren engagiert er sich beim Verein improgress für ein «Theater ohne Drehbuch», dessen Grundsätze zu einer Art Lebensphilosophie geworden sind: Ja sagen zu neuen Möglichkeiten und Freude entwickeln am Scheitern. Im Improvisationstheater hatte Men gefunden, was er schon immer gelebt hatte. Was als nächstes kommt, steht noch in den Sternen. Ein Leben ohne Drehbuch eben.

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